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Suizidgedanken: Wie Eltern ihren Kindern helfen können

Laut einem UNICEF-Bericht ist Suizid bei Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren die vierthäufigste Todesursache - in Deutschland bei unter 18-Jährigen sogar die zweithäufigste. Was können Eltern im Verdachtsfall tun?

Aus einer jüngst vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF veröffentlichten Umfrage in 21 Ländern geht hervor, dass Suizid in der Altersgruppe der 15- bis 19-Jährigen die vierthäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen, Tuberkulose und Gewalttaten ist.

Laut der "Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie" (DGKJP) ist Selbsttötung in Deutschland bei den unter 18-Jährigen sogar die zweithäufigste Todesursache. "Gerade im Jugendalter findet sich eine Häufung von Suizidgedanken und Suizidversuchen, was auch als entwicklungstypisches Phänomen zu verstehen ist. (...) Dabei zeichnen sich Suizide und Suizidversuche im Jugendalter im Vergleich zum Erwachsenenalter durch eine deutlich höhere Impulsivität aus", heißt es in einer Stellungnahme vom März 2021.

Der WDR hat sich des Themas angenommen und bei Albrecht Roebke, evangelischer Pfarrer und Seelsorger in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis, nachgefragt, auf welche möglichen Suizid-Signale Eltern bei ihren Kindern achten sollten. "Es ist ein absolutes Alarmzeichen, wenn existenziell sehr gestresste Jugendliche auf einmal ganz entspannt werden", so Roebke Dann nämlich sei wahrscheinlich schon eine Entscheidung pro Suizid gefallen.

Wie konkret suizidale Tendenzen bei einem Jugendlichen seien, ließe sich auch an der Wortwahl ablesen: "Je spezifischer das Bild ist, desto gefährlicher wird es." Sage ein Jugendlicher "Ich will nicht mehr leben", bestehe noch keine Gefahr im Verzug.

Aufpassen müsse man schon, wenn einer "Ich will mich aufhängen" sage. "Alarmstufe Rot herrscht beispielsweise dann, wenn jemand sagen würde, ich weiß, wo um 8.45 Uhr der Zug eine so hohe Geschwindigkeit hat, dass er nicht mehr abbremsen kann", so Albrecht.

Seelsorger Albrecht rät Eltern, ihren Kindern die Möglichkeit zu geben, nonverbale Signale bezüglich ihres seelischen Zustands senden zu können: "Das kann eine Zahl sein zwischen eins und fünf, die das Kind jeden Morgen an die Tür schreibt. Oder eine gemalte Ampel. Wenn die grün ist, müsst ihr euch keine Sorgen machen. Gelb heißt, mir geht es nicht gut, aber lasst mich in Ruhe. Rot würde bedeuten, mir geht es plötzlich ganz dreckig."

Ein grundsätzliches Problem von Jugendlichen, mit ihren Eltern über ihr Seelenleben zu reden, sei das Schamgefühl. Eltern sollten deshalb Alternativen anbieten: "Wenn du mit uns nicht reden willst, nenne uns eine erwachsene Person, die du um Rat fragst." Mit einem solchen Angebot würde man seinem Kind signalisieren: "Du kannst Themen ansprechen, ohne dass wir etwas unternehmen, was du nicht willst." Von exorbitanter Bedeutung sei zudem der Freundeskreis, dem Jugendliche sich eher offenbaren würden als den Eltern.

Der Diplompsychologe Gerd Höhner, Präsident der Psychotherapeuten-Kammer NRW, verwies gegenüber dem WDR darauf, dass es Suizide ohne depressiven Krisenvorlauf nicht gebe: "Dass ein junger Mensch, der nicht in Gedanken über sein Leben verzweifelt, beunruhigt, ratlos, perspektivlos ist, aus dem Nichts heraus einen Suizid begeht, das halte ich für ausgeschlossen." Wenn Eltern bemerkten, dass ihr Kind sich in einer depressiven Krise befinde, sollten zunächst Stellen kontaktiert werden, die das Kind kennen – etwa Lehrer, um sicherzugehen, dass man in der Schule auf das Kind achtet.

Auch den behandelnden Kinderarzt sollten Eltern ansprechen: "Und wenn man zu dem Ergebnis kommt, das eigene Kind braucht professionelle Hilfe, sollte man sich an einen Kinder- und Jugendpsychotherapeuten wenden. Wenn es ganz dramatisch wird, sollte man eine kinder- und jugendpsychiatrische Klinik kontaktieren", so Höhner.

Ein entscheidender Faktor, suizidalen Tendenzen bei Jugendlichen grundsätzlich vorzubeugen, ist die Erziehung. Das haben Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg bei einer Studie mit 44.134 Jugendlichen herausgefunden. Demnach ist der erlebte Erziehungsstil in der Kindheit entscheidend für die spätere psychische Gesundheit.

Die Studie zeigte, dass der sogenannte autoritative Erziehungsstil eine schützende Wirkung gegen Suizid-Tendenzen hat: "Kinder, die sowohl starke Zuwendung als auch ein hohes Ausmaß an Kontrolle und Regeln durch ihre Eltern erlebt hatten, haben im Alter von 15 Jahren seltener bereits ernsthaft versucht, sich umzubringen, als solche, die eine andere Erziehung erlebt hatten."

(Quelle: WDR)